Der Lindy Effekt: Ein Blick in die Vergangenheit hilft uns in der Gegenwart erfolgreich zu sein

Der Lindy Effekt: Ein Blick in die Vergangenheit hilft uns in der Gegenwart erfolgreich zu sein

Können Sie sich eigentlich vorstellen, mit wie vielen Informationen wir jeden Tag konfrontiert werden? In einer Welt, die von Sozialen-Medien, Rund-um-die-Uhr Nachrichtensendungen und permanenter E-Mail-Kommunikation bestimmt ist, könnte man annehmen, dass unser Gehirn bereit ist, alle diese Daten ständig aufzunehmen.

Eine kürzlich durchgeführte Studie hat ergeben, dass der durchschnittliche Internetnutzer pro Tag rund 34 Gigabyte an Informationen konsumiert, die als Bilder, Texte, Spiele oder Videos präsentiert werden. Will man dies in Zahlen fassen, so ergibt dies in etwa 105.000 Wörter, die unsere Augen und Ohren alle 24 Stunden abscannen.

Wie wir die Daten beim Lindy Effekt filtern

Aber wie filtern wir diese Daten, die unser tägliches Leben beeinflussen, um die wirklich relevanten Informationen daraus zu entnehmen?

Ein Trend, der in den letzten Jahren eine immer größere Anhängerschaft gewonnen hat, wird als der „Lindy Effekt“ bezeichnet, der seinen Ursprung im New Yorker Restaurant „Lindy“ hatte (von daher auch sein Name), und vom Komiker Albert Goldman in den 1960er Jahren zum ersten Mal verwendet wurde. Auch in einigen Akademikerkreisen wird dieser Umgang mit Wissen verfolgt, denn dieser Effekt bezieht sich auf die Vergänglichkeit von Wissen und postuliert kurz zusammengefasst: je länger eine Information existiert, desto nützlicher und/oder wichtiger ist sie.

Es gilt die grobe Regel, dass die Zeit, in der eine Informationsquelle existiert und genutzt wird, gleich ihrer weiteren Lebensdauer ist. Ein Buch, das beispielsweise in den 1960er Jahren veröffentlicht wurde, und heute noch gelesen wird, gibt es seit 60 Jahren. Dies bedeutet in dieser Theorie, dass es wahrscheinlich noch in den 2080er Jahren lesen werden wird.

Selbstverständlich kann nun argumentiert werden, dass einige der zeitgenössischen Informationsquellen durchaus nützlich sind, und dazu beitragen können, uns vor negativem Einflüssen zu bewahren. Ein im letzten Monat veröffentlichter Ernährungsplan, der unserer Gesundheit nützlich sein sollte, könnte uns beispielsweise helfen, die richtigen Nährstoffe für ein ausgeglichenes Leben zu bekommen, oder ein Ratgeber wie man ein seriöses Casino im Internet finden kann, das auch auf die Probleme mit der Spielsucht ernst nimmt.

„Lindy“ weist jedoch darauf hin, dass diese modernen Quellen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, falsch zu sein, und dass sich diese gerade erst publizierten Informationen nach genauerer Betrachtung oft als ungenau herausstellen. Hier kann als treffendes Beispiel Mundwasser genannt werden, dass in früheren Zeiten oft von Zahnärzten empfohlen wurde. Neuere Studien haben jedoch belegt, dass diese Flüssigkeit nicht nur schädliche Keime sondern auch nützliche Bakterien im Mund- und Rachenraum entfernt, und daher sogar zu schweren Krankheiten führen kann.

Welche Informationen sind „lindy“?

Aber woher wissen wir, welche Berichte, Daten und Informationen „lindy“ sind und welche nicht?

Wenden wir uns nochmals der obigen Definition zu, und sehen wir uns ein paar berühmte Beispiele aus der Geschichte an. In der Literatur kann beispielsweise Shakespeares Hamlet als klassisches Vorbild für diesen Effekt dienen. Wird bei diesem Stück die Lindy-Regel angewandt, so gibt es diesen Text bereits seit 418 Jahren, dies bedeutet, und davon ist auch auszugehen, dass dieser Klassiker der Literaturgeschichte noch mindestens ein weiteres halbes Jahrtausend überdauern wird. Denn aus Hamlet können einige unschätzbare Lektionen auch für das gegenwärtige und zukünftige Leben gelernt werden, beispielsweise wie Rachegelüste einen Menschen verzehren können.

Welche Informationen sind "lindy"?In ähnlicher Weise ist das Erlernen grundlegender mathematischer, naturwissenschaftlicher und philosophischer Regeln, die seit Jahrhunderten bestehen und an die sich Akademiker noch heute halten, das ultimative Lindy-Statement. Newtons Gravitationsgesetz wurde erstmals 1867 ausformuliert und wird noch heute von Wissenschaftlern immer noch als gültig angesehen, obwohl es auf aktuelle Gebiete der Forschung, beispielsweise die Quantenphysik, nicht eingeht. Das Kennenlernen und Studieren dieser alten Maximen sollten als erste Anlaufstelle für alle Lindy-Gläubige dienen.

Die Anhängerschaft der Lindy-Vertreter bringt oft das Argument ins Spiel, dass die Zeit der natürlicher Filter für Bedeutung ist, und das meiste, was wir online lesen, ernsthaft in Frage stellt. Sie behaupten auch, dass das Internet das ultimative Ablenkungsinstrument sei, vollgestopft mit nutzloser Information, der lediglich unsere Aufmerksamkeit erregen soll, aber uns nichts neues beibringt oder lehrt.

Ein beliebtes Lindy-Zitat stammt vom amerikanischen Politikwissenschaftler Herbert A. Simon:

„Eine Fülle von Informationen schafft eine Armut an Aufmerksamkeit“

Stattdessen fordert uns „Lindy“ auf, sich mit den klassische Lehren zu beschäftigen. Sind wir an einem bestimmten Moment mit dem Studium eines Werkes fertig, so sollen wir das soeben studierte Buch wieder zur Hand nehmen und von vorne mit dem Lesen beginnen, denn es gibt immer etwas, das wir überlesen, übergangen oder verpasst haben.

Hier eine kurze Liste empfohlener „Lindy-Lehren“:

  • Homer – Die Ilias und die Odyssee
  • Hesiod – Werke und Tage
  • Lucretius – So sind die Dinge
  • Seneca – Sechs Tragödien
  • Cicero – Ãœber die Götter

Alle diese Texte sind viele Jahrhunderte alt, manche sogar Jahrtausende, enthalten aber auch heute noch wertvolle Ansichten, von denen der Leser Gebrauch machen kann.

Eine Frage bleibt jedoch aufrecht. Muss der Ansatz von Lindy tatsächlich so streng und radikal sein? Schließlich haben viele neue Theorien, insbesondere in den Bereichen Technologie und Medizin, die Welt grundlegend in einigen Bereichen verändert. Wie verhält es sich hier mit dem Lindy Effekt?

moderne mRNA-TechnologieUm dies zu beantworten können wir uns „Lindy“ auch auf eine andere Weise nähern und uns nicht nur auf die Faustregel der zeitlichen Vergänglichkeit stützen. Zuerst sollten wir uns auf die „unvergängliche Quellen“ konzentrieren, diese aber durch hochwertige zeitgenössische Informationen ergänzen, von denen anzunehmen ist, dass diese in rund 50 Jahren immer noch verwendet werden. Hierzu behören beispielsweise die moderne mRNA-Technologie, die wahrscheinlich die Grundlage für zukünftige Impfstoffe bilden wird und auch die Blockchain-Technologie, die zwar weniger als 15 Jahre alt ist, aber von den meisten Technologieexperten so eingestuft wird, dass sie unsere Lebensweise im 21. Jahrhundert durchaus mitprägen wird.

Die goldenen Regeln „Lindy“ lauten daher:

  • Ãœberprüfen Sie die Quelle auf deren „Verderblichkeit“, das heißt: wie lange gibt es diese Information schon.
  • Vergleichen Sie die erhaltenen Informationen stets mit aktuellen akademischen Quellen. So werden Sie überprüfen können, ob diese (immer noch) zutreffend sind.
  • Falls alle Quellen verifiziert wurden, dann: lesen, lesen und nochmal lesen!
  • Halten Sie Ausschau nach hochwertigen zeitgenössischen Texten, die von Experten begutachtet wurden, um so Ihr bereits erworbenes Wissen abzurunden.

In einer Welt voller Fake-News und Scheininformationen könnte sich „Lindy“ als das geeignete Werkzeug erweisen, auf das wir in den kommenden Jahren in Sachen Informationsverifikation bauen könnten.